Schuldenfrei ins neue Jahr
Der Jahreswechsel ist ja üblicherweise jene Zeit, in der wir gute Vorsätze für das neue, kommende Jahr treffen. So gute meist, dass es uns bereits nach ein paar Wochen schon einfach nicht mehr gelingen mag, diese auch konsequent fortzusetzen. Die Fitnessindustrie verdient an diesem Phänomen wohl außerordentlich gut, werden in diesem Tagen vermutlich die allermeisten Abos und Mitgliedschaften abgeschlossen, und während die inneren Schweinehunde uns wieder zurück auf die Couch zwingen sind die nichtgenutzten Abos auch das Einzige, das über das Jahr hinweg weiterläuft.
Ich habe in diesem Jahr eine Kehrtwendung hingelegt, die mich an einen vergangenen Ort zurückgebracht hat, von dem ich nicht dachte, dass ich ihn wieder beleben würde. Mein Herz hat mich eines Besseren belehrt. Und während mein Kopf nicht müde wurde, die Risiken zu berechnen und aufzulisten, die es mit sich brachte, den Weg durch ehemaliges Sturmgebiet zu gehen, eilte mein Herz selbstsicher voraus. Dass ich auch wirklich folgen würde, stellte es stetig sicher, indem es wie ein Suchhund unbeirrbar zwischen mir und dem, was es am Ende des Weges zu finden gab, hin- und herlief und stets freudig springend und winkend auf sich aufmerksam machte, sodass ich es gar nicht übersehen konnte, so sehr ich es auch gewollt hätte.
Auf dem Weg unzählige Scherben. Viele von ihnen voller Erinnerungen, manche aber boten eine Reflexion, die schwer anzusehen war, immer noch schwierig anzusehen ist, aber hinschauen musste ich. Endlich hinschauen. Ich habe Teile von mir eingesammelt ohne zu wissen, wohin die Reise letztendlich gehen sollte. Oder, wie Facebook es ausdrücken würde: Birgit ist unterwegs mit Birgit nach ungewiss. Feeling unsicher. Herzemoji.
Schon gelesen? Ein neues Jahr – was hast du dir nicht vorgenommen?
Das Ziel aus den Augen verloren zu haben ist eine ziemliche Challenge für sich. Durch das Umkehren und Hinschauen aber, habe ich erkannt, dass einige Ziele, die ich mir vorher gesteckt hatte, für mich eigentlich überhaupt keinen Sinn ergeben. Dass diese Ziele aus der Überzeugung entstanden sind, ich müsse Anerkennung für etwas im Außen bekommen, das ich in Wahrheit in mir selbst nicht anerkennen konnte. Als bräuchte es eine Validierung von außen, damit ich bestimmte Anteile von mir endlich frei leben dürfe. Und je mehr ich diese Anerkennung suchte, desto weniger war da die Freiheit, sie zu leben, und desto mehr suchte ich ihre Anerkennung von außen. Ein geniales Konzept eigentlich. Bravo.
Was nehme ich mir also für das neue Jahr vor? Nun, anstatt mir noch mehr unrealistische Ziele aufzuhalsen und mich dann mies zu fühlen, weil ich sie wieder nicht umsetze, begehe ich das neue Jahr einfach schuldenfrei. Weil ich auf dem Weg zurück zu mir gecheckt habe, dass ich meine Talente und Gaben niemandem schuldig bin. Ich darf sie l(i)eben, einfach so. Und was, wenn ich etwas falsch mache oder eine falsche Entscheidung treffe (fragt der Kopf)? Dann ist das ok (sagt das Herz), weil ich auch meine Fehler niemandem schulde. Sie gehören mir alleine und es gibt niemanden, vor dem ich mich zu rechtfertigen habe. Ich mache mit ihnen, was ich will. Ich lerne aus ihnen, was ich eben lernen soll. Und was, wenn ich mir das alles nur einbilde und scheitere (fragt der Kopf)? Dann ist das ok (sagt das Herz), weil ich auch niemandem meinen Erfolg schuldig bin. Verantwortlich bin ich einzig und allein mir, meinem Herzen und den vielen früheren Versionen von mir, die ihre Hoffnungen und Erwartungen in mich gelegt haben. Darüber hinaus bleibe ich… endlich schuldenfrei.