Es ist Mittagszeit, ich sitze im Bus. Außer mir sind da nur ein paar ältere Menschen – ja, sogar noch älter als ich. Es ist ruhig irgendwie. Die Ruhe nimmt jedoch ein abruptes Ende, als der Bus an einer Schule hält, wo bereits Dutzende Halbwüchsige warten.
Ich gehöre zu jenen Menschen, die sich in einer minimalistischen Umgebung so richtig wohlfühlen. Zu viel Krempel macht mich nervös und so veranstalte ich regelmäßige Ausmistaktionen, um mir selbst nicht nur ein gutes Gefühl zu geben, sondern auch die Illusion aufrechtzuerhalten, ich hätte mein Leben im Griff.
Da ist sie, diese eine Facebookfreundin, die sich jetzt als Fotografin selbstständig gemacht hat. Oder der Arbeitskollege, der sich eine Auszeit nimmt , um die Welt zu bereisen. Oder dieser eine Bekannte von Bekannten, der sein eigenes Start-up gegründet hat. Und mittendrin stehst du und denkst: „Echt jetzt? DIE als Fotografin, na ich weiß nicht, heutzutage kann sich ja jeder alles schimpfen“, oder „mir wär das viel zu anstrengend da mit dem Rucksack durch Indien zu tuckern, das hat außerdem eh schon jeder gesehen“, oder „bäääääh, schon wieder so ein Start-up, geh, muss das sein, der will sich doch nur selbst inszenieren.“
Wahrhaft, es ist nicht leicht in dieser unserer Zeit zu leben. Eine Zeit, in der man dauernd in Bewegung bleiben muss, damit man überhaupt noch mithalten kann, wo doch alles so wahnsinnig schnelllebig ist. Und eine Zeit, in der es dann aber wieder heißt, man solle „entschleunigen“ und achtsamer werden, die Langsamkeit in sein Leben lassen. Ja was denn nun?
Ob wir es uns nun eingestehen möchten oder nicht, es gibt einfach ein paar Dinge, die wir als Frauen mit 30 nicht mehr tragen sollten. Klar ist es vielleicht manchmal unangenehm, das zuzugeben, aber mit steigendem Alter werden wir nicht nur reifer, sondern blicken auch oft kopfschüttelnd auf viele unserer Irrtümer aus jüngeren Jahren zurück und stellen fest, dass uns das heute einfach nicht mehr zu Gesicht steht.
Gequält stehe ich vor dem Spiegel. Mein ganzer Organismus schreit mich an. Er will, dass ich mich zurück ins Bett lege und die Decke weit über den Kopf ziehe. Und dennoch stehe ich hier, obwohl ich es kaum schaffe, mich aufrecht zu halten.
Jahreswechsel und so. Vermeintlich die beste Zeit, um Abbitte zu leisten und Schwüre zu schwören. Ich weiß, ich weiß, ich lebe zu ungesund, schlafe zu lange, bin oft zu faul, kriege nicht immer alles gebacken, aber ich schwöre, ich schwöre, ab jetzt wird alles besser. In diesem neuen Jahr starte ich endlich, endlich durch mit der restlos optimierten Version von mir selbst…
Der Zauber ist vorüber. Das Glitzern und Funkeln der Weihnachtszeit ist verflogen und auch der Schwefelgeruch nach dem Feuerwerk in der Silvesternacht berührt dich irgendwie nicht mehr. Sehnsüchtig denkst du daran zurück, wie aufregend das alles früher war.